Die Chinesen sagen: Das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des Tages.
Die Zusammenhänge von Gesundheit und guter Ernährung wurden in China bereits in der Song-Dynastie (920 1280 nach Chr.) von dem Arzt Li Dong Yuan dargelegt, der die berühmte "Schule zur Stärkung der Mitte" gegründet hat. Diese hob die besondere Bedeutung einer gesunden Ernährung für die Erhaltung der Gesundheit und das Bewahren des vorgeburtlichen Qi hervor.
Die zugehörigen Organe der Mitte sind Milz und Magen. Ihre Hauptaufgabe besteht darin aus der Nahrung Qi zu gewinnen und es dem Körper zur Verfügung zu stellen. Das Qi aus der Nahrung bildet die Basis unserer Gesundheit. Darum spielen die Ernährung und die Organe der Mitte so eine große Rolle in der chinesischen Medizin.
Laut chinesischer Organuhr verfügen Milz und Magen zwischen 7 und 11 Uhr über ihr ganzes Energiepotenzial und können die Nahrung optimal verstoffwechseln. Darum sollte das Frühstück in die Zeit des Magens fallen, also zwischen 7 und 9 Uhr. Die Zeit der Milz liegt zwischen 9 und 11 Uhr. In dieser Zeit assimiliert und verteilt sie die Nahrungsessenzen im ganzen Körper.
Das Frühstück darf deshalb die größte Mahlzeit des Tages sein- üppig, nahrhaft und natürlich warm. Ein gutes Frühstück gibt die Energie für den Tag die es braucht um Qi, Yin und Yang aufzubauen. Es stärkt das Blut und die Körperflüssigkeiten. In sehr vielen Regionen der Welt ist es üblich in der Früh warm und gekocht zu frühstücken. Wenn wir morgens nichts essen, dann arbeitet die Milz mit den Reserven der Nierenenergie, des vorgeburtlichen Qi.
Aber was ist nun die Milz?
Die Milz, ebenso wie alle anderen Organe, werden in der TCM in einer völlig anderen Weise gesehen als im Westen. Sie steht für den gesamten Verdauungsapparat, also Darm und Bauchspeicheldrüse und den Stoffwechsel jeder einzelnen Zelle im Körper.
Die Mitte des Menschen ist auch sein Transformationszentrum. Das Erdelement bewerkstelligt die Transformation von Körperfremden in Körpereigenes- auf körperlicher als auch auf geistiger Ebene.
Chinesisch betrachtet gehört die Milz zur Wandlungsphase Erde, die unser Zentrum darstellt und von dort aus alle anderen Organe versorgt.
Die Erde steht für Stabilität, Zentriertheit, Vertrauen, Geborgenheit, Fürsorge, Zuwendung und Sicherheit. Der Erdaspekt in uns gibt uns gibt uns die notwendige Verankerung im Leben. Ohne eine gesunde Mitte wird der Alltag oft als sehr anstrengend und erschöpfend erlebt, an unseren Energien und Reserven zehrend. Wenn wir aus der Balance sind, werden wir anfällig für alle möglichen Störungen. Eine starke Mitte jedoch schafft immer wieder einen Ausgleich.
Die Milz steht auch für das Denken. Konzentrationsfähigkeit, Fokus und Klarheit sind Zeichen einer gesunden Mitte. Grübeln, kreisende Gedanken, Sich-sorgen, Brain-Fog, Zerstreutheit und Niedergeschlagenheit sind Zeichen einer schwachen Mitte.
Ein Qi-Mangel der Milz, also unserer Verdauungskraft, zeigt sich u.a. an Blähungen, Völlegefühl, Müdigkeit und Heißhunger auf Süßes. Solche Beschwerden deuten darauf hin, daß falsche Ernährungsgewohnheiten die Verdauung schwächen und daß die Nahrung nicht ausreichend transformiert wird.
Sämtliche Organe unseres Körpers und ihre Funktionen sind abhängig von den Nährstoffen, die sie über die Organe der Wandlungsphase Erde erhalten. Die Milz koordiniert die Substanz- und Energieverteilung im Körper. Das heißt, wenn die Mitte gepflegt wird, kann die Milz die Nährstoffe verwerten und in unseren Körper einbauen, den Körper nähren und die Funktion aller anderen Organe stützen.
Gehen wir also fürsorglich mit unserer Milz um, kümmert sie sich fürsorglich um alle anderen Organe und Gewebe in unserem Körper und stellt zusammen mit der Lunge unsere Lebensenergie Qi her. Ich kann also liebevoll meine Erd-Organe stärken, die wiederum selbst für Fürsorge und Nährung stehen.
Unter diesem Aspekt ist das gekochte Frühstück für mich zum schönsten Selbstfürsorge-Ritual und Achtsamkeitsübung in einem geworden. Denn morgens ist man noch in einer besonderen Stimmung, näher bei sich und noch nicht im Strudel von Stress und Hektik verstrickt.
Warum also sollte das Frühstück warm sein?
Die TCM beschreibt die Verdauung von Nahrung mit einem Kochvorgang. Als einprägsames Modell dafür dient das Bild eines Kochtopfs, in dem eine Suppe über einer Feuerstelle köchelt.
Das Feuer steht für die Yang-Energie des Menschen, für die Wärme und Kraft die Nahrung die Nahrung zu verdauen und in körpereigene Energie, Qi, umzuwandeln.
Der Kochtopf steht für den Magen, in dem die Verdauungssäfte für den Nahrungsbrei zusammenfließen. In ihm werden die Nahrungsmittel gekocht und aufbereitet. Der Dampf, der durch diesen Kochvorgang über dem inneren Kochtopf aufsteigt, symbolisiert das daraus gewonnene Qi. Aus ihm werden Blut, Säfte und Substanz aufbereitet.
Ist ein Gericht bekömmlich und ausgewogen für die persönliche Veranlagung- das Verdauungsfeuer oder auch Stoffwechsel, wird ausreichend Qi produziert und es entsteht ein klarer Dampf über dem Kochtopf, der frei und und harmonisch fließt und überall im Organismus verteilt werden kann. Wir fühlen uns wohl, rundherum gesättigt und kraftvoll nach dem Essen.
Es ist also für die Arbeit des Kochtopfs von Bedeutung in welcher Form die Nahrung bei ihm ankommt. Der Qi-Aufwand für das Verdauen gekochter Speisen ist wesentlich geringer als bei Rohkost. Außerdem muss der Körper Rohgegessenes und Kaltes erst anwärmen, was wiederum Qi und Yang verbraucht.
Stellen wir uns vor, daß in den Kochtopf, der im besten Fall munter vor sich hin köchelt und ordentlich Dampf macht, ständig Kaltes und Rohes geworfen wird. Das Feuer muss immer kräftiger heizen und wird sich irgendwann darüber erschöpfen und es kommt zum Yang-Mangel. Die Suppe im Topf wird gar nicht mehr richtig heiß, eher trüb und so richtig Dampf steigt auch nicht mehr auf.
Wer mit seinem Qi und Yang also Wichtigeres vorhat, als es in die Verdauung roher Nahrung zu investieren, beschränkt diese auf eine kleine Menge...
Mit einer warmen, gekochten Mahlzeit geben wir dem Körper was er braucht und wir unterstützen die Milz bei ihren Aufgaben die Nahrung aufzuschließen, zu verwerten und Feuchtigkeit auszuscheiden. Als Feuchtigkeit bezeichnet man die Abfallprodukte einer unvollständigen Verdauung, die sich in den Geweben als sogenannte Schlacken einlagern und verhindern, daß das Qi harmonisch fließt. Pathologische Feuchtigkeit kann sich in unterschiedlichen Ausformungen in Körper und Geist zeigen, wie Übergewicht, Ödeme, körperliches Schweregefühl und unklares Denken. Wenn dann noch Hitze (durch ein stressiges Leben, Alkohol, Ernährung etc.) dazu kommt, dann entsteht Schleim. Feuchtigkeit und Schleim sind in der chinesischen Medizin eine Art materielle Blockade und der Nährboden für viele Erkrankungen.
Chinesisch betrachtet ist die Definition von Gesundheit und Leben, daß alles im Körper gut und gleichmäßig fließt!
Da wir etwa 70% der Energie, die wir für den alltäglichen Verbrauch benötigen aus der Nahrung beziehen, darf die Umwandlung der Speisen nicht zu viel Energie verbrauchen. Das aus der Nahrung erworbene Qi wird nach oben zur Lunge transportiert und vereint sich dort mit 30% Brust-Qi, das von Lunge und Herz gebildet wird. Diese beiden Quellen ergeben die Energie für den täglichen Verbrauch, für das Nähr-Qi, das alle Organe und Gewebe des Körpers mit Qi und Blut versorgt, sowie unser Abwehr-Qi, das an der Oberfläche zirkuliert und uns schützt, unser Immunsystem.
Spenden diese Quellen etwas mehr Qi, kann diese gespeichert werden. Spenden sie zu wenig, muss der Köper seine Reserven anzapfen, unsere kostbare Nierenenergie, die Essenz, die dazu dient unsere Körperfunktionen ein Leben lang aufrecht zu halten.
Eine gut funktionierende Mitte ist also die Voraussetzung dafür, daß die Nierenenergien nicht mehr als nötig in Anspruch genommen werden müssen, ja sogar entlastet werden.
Jetzt verstehen wir, daß die Basis der chinesischen Ernährungslehre in erster Linie dazu dient, die Verdauung zu stärken und Feuchtigkeit zu vermeiden. Die erdigen Anteile der Nahrung stärken die Mitte des Menschen- das Milde, Süße, Nährende und Sättigende. Ein gutes Frühstück in diesem Sinne ist ein Frühstück aus Vollkorngetreide. Hirse eignet sich zum Beispiel sehr gut. Sie nährt das Qi der Mitte, stärkt die Yin-(das Yin brauchen wir für Ruhe und Gelassenheit, starke Nerven und tiefen Schlaf) und die Yang-Wurzel. In Kombination mit pflanzlichem oder tierischem Eiweiß, kurz gedämpften Obst oder Gemüse, Kräutern und gutem Fett lassen sich nährende und köstliche Rezepte entwickeln.
Innere Stabilität und Gelassenheit, Konzentration, Achtsamkeit, Fürsorge für sich selbst und andere, Vertrauen in die eigenen Entscheidungen und ein starker Verdauungsapparat sind Zeichen einer gesunden Mitte. Deswegen ist es in der Ernährungstherapie, die als Grundlage immer auch die Erde in uns stärkt, ein Nebeneffekt, daß die Person zunehmend unabhängiger wird und mehr über sich und ihre Bedürfnisse lernt.
Das führt zu mehr Zufriedenheit und Ruhe. Ruhe wiederum läßt uns die leise Stimme unseres Herzens wahrnehmen, die uns den Weg zu unserer Bestimmung weist. Wieder und immer wieder- denn Beharrlichkeit und Ausdauer sind auch Ausdruck der Erde.
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